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Leeland, der Kampfschmuser

Als ich Leeland vom Tierasyl übernahm, sagte mir die Dame an der Rezeption, dass ich Leeland nicht mit anderen Hunden schnuppern lassen soll. Leeland war ja aus einer Familie gekommen, wo er sich mit dem anderen Hund nicht vertragen hatte. Im Tierasyl hatte er sich dann auch noch mit einem anderen Hund geprügelt und wurde dann nur noch allein in den Auslauf gelassen. Als ich mit ihm damals spazieren ging, war er mit anderen Hunden jedoch sehr manierlich. Ich bin selbst entspannt und Leeland schaute immer zu mir, wenn andere Hunde kamen. Wenn er mal das Rückenhaar aufstellte und anfing zu imponieren, habe ich das immer konsequent ignoriert und bin weitergegangen. So orientierte sich Leeland von Anfang an an mir und ließ sich von kläffenden und manchmal aggressiven Hunden nicht aus der Ruhe bringen. Ein echter AmStaff, sehr souverän. Damit kommen nicht viele Hunde klar.

Die ruhige Art setzte ich dann auch fort, als er dann endgültig zu mir kam. Leeland hat als sogenannter Kampfhund Leinenpflicht, und da ist es eh schwierig mit anderen Hunden entspannt zu kommunizieren.

Meine Nachbarin hat einen kleinen Mischlingsrüden, der aus dem rumänischen Tierschutz kommt und ein Straßenhund war. Warum auch immer, der kleine Jimmy fand Leeland von Anfang an ganz toll. Vielleicht, weil Jimmy recht klein ist und als ehemaliger Straßenhund sich an stärkere Hunde angeschlossen haben mag, um zu überleben. Jimmy ist sehr unterwürfig, und da Leeland ein Alpha-Hund ist, passt das sehr gut. Die beiden Hunde haben sich von Anfang an gut verstanden und gemocht. Leeland ist ja sehr souverän und Jimmy findet das mega. Sie gehen beim Spaziergang einträchtig nebeneinander her und Jimmy freut sich schon, wenn er Leeland auf Entfernung sieht. Jimmys Besitzerin ist eine alte Dame von achtzig Jahren, die am Anfang gehörigen Respekt vor Leeland hatte. Jetzt bringt sie ihm immer Leckerchen und Leeland, verfressen wie er ist, freut sich auch immer wie Bolle, wenn er sie sieht. Er frisst ihr wortwörtlich aus der Hand. Von wegen Kampfhund – niemals würde er einen Menschen angreifen. Wir sind einmal beim Abendspaziergang an einer Garage vorbeigekommen, wo ein Mann drin stand. Leeland sah ihn, fand ihn sympathisch, ging fröhlich wedelnd auf ihn zu, lachte ihn an („Hallo!“), und kam dann wieder zu mir, um seinen Spaziergang fortzusetzen. Leeland hat einige Fans im Dorf, und alle sind von ihm begeistert, weil er so freundlich ist und so viel lacht. So ist Leeland, einfach ein netter Kerl. Wobei ich schon glaube, dass wenn mich jemand angreifen würde, Leeland mich bis auf’s Letzte verteidigen würde.

Ein gutes Jahr, nachdem Leeland zu mir gekommen war, traf ich bei einem unserer Spaziergänge einen neuen Nachbarn, der mit seinem Hund Daisy, einer ungarischen Jagdhündin, immer ohne Leine geht, und der absolut tiefenentspannt ist. Wir unterhielten uns, und da weit und breit kein anderer Hund oder Mensch da war und die Wiesen sehr übersichtlich sind, meinte ich zu dem Nachbarn, dass ich – Leinenpflicht hin oder her – es jetzt wagen würde und Leeland von der Leine ließe, damit er mit Daisy spielen könnte. Leeland hatte zu diesem Zeitpunkt sein halbes Leben keinen intensiven Kontakt mit einem anderen Hund gehabt. Aber da Daisy sehr schnell ist, dachte ich, dass falls das Experiment schief gehen würde, Daisy schnell abhauen könnte. Daisy ist ebenfalls sehr unterwürfig.

Was soll ich sagen? Die Tränen der Freude kamen mir, als die beiden Hunde anfingen miteinander ein Rennspiel zu spielen. Daisy war wie erwartet viel schneller als Leeland und forderte ihn immer wieder auf, täuschte an und rannte weg, Leeland bellend hinterher. „Wie schön“, dachte ich, „so soll ein Hund leben können.“ Der Nachbar sah, dass die Tränen liefen und nahm mich in den Arm.

Ich würde das allerdings nicht bei jedem Hund machen und Leeland mag auch einige andere Hunde nicht – da ist er wie jeder andere Hund auch. Aber wenn es passt? Warum nicht? Im Wald und im Dorf lasse ich ihn nie von der (Schlepp)Leine, aber wenn er mit einem anderen Hund auf der Wiese am Dorfrand spielen und rennen kann, dann kann das nur gut für ihn sein.

Ich kann meinen Hund „lesen“ und wenn er anfängt zu imponieren, gehen wir sofort weiter, damit es nicht eskalieren kann. In der Regel sind die immer nur anderen Hunde aggressiv und er ist ignorant. Welpen sind ihm zu anstrengend, unterwürfigen Hunden gegenüber ist er in den meisten Fällen freundlich oder neutral gestimmt, und in manchen ihm sympathischen Fällen will er seit dem Erlebnis mit Daisy sogar mit ihnen spielen, was sich wegen der Leinen leider als schwierig bis unmöglich erweist. Aber mit Daisy in den Wiesen geht das. Leeland hat jetzt also quasi eine kleine Freundin.

Das Problem bei „Beißern“ oder sogenannten Kampfhunden ist in der Regel nicht der Hund, sondern der Mensch am anderen Ende der Leine. „Kampfhunde“ sind Hunde wie alle anderen auch. Wenn sie von klein auf sozialisiert und liebevoll konsequent erzogen werden, sind sie wunderbare Begleiter. Auch ein Golden Retriever würde bissig werden, wenn er scharf gemacht und mit Schlägen erzogen würde.

Die American Staffordshire Terrier gelten in den anglophonen Ländern wie Großbritannien oder den USA als „Nanny-Dogs“, also Familienhunde. Sie werden dort auch als Spürhunde eingesetzt. Nur hier in Europa gelten sie als gefährlich.

Mein Leeland ist ein liebevoller, netter Kerl mit Charakter. Und jetzt auch mit kleiner Freundin und bestem Hundekumpel.